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Viertakt Tuning |
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Alles über Tuning von Viertakt-Motoren!
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Ulf Penner |
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Kurzbiografie
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Test Victory Vision |
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... der Ausflugsdampfer |
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Sande liegt in der Nähe von
Wilhelmshaven. Das muß man nicht wissen - es sei denn, man fährt eine
Moto Morini. Denn in Sande hat Jürgen Leu (www.leutuning.de) sein Geschäft.
Er war einer der ersten Morini Vertragshändler und kümmert sich
seitdem aufopferungsvoll um die kräftigen Italienerinnen. Nicht nur
nebenbei werden hier aber auch hemmungslos Motoren aller Art getunt. Eine
Spezialität des Hauses ist der Umbau auf Äthanol-Betrieb. Das Zeug ist
übrigens erheblich besser als sein Ruf - aber das ist jetzt endgültig
ein anderes Thema.
Auf jeden Fall hat Jürgen mir eine Karte mit
einer Einladung zur Präsentation der Victorys geschickt. Mit dieser Marke
hat er sich ein weiteres Standbein zugelegt. Der amerikanische Hersteller
verkauft seit gut zehn Jahren erfolgreich Motorräder in den USA und hat
jetzt den Sprung über den großen Teich gewagt. Eine Besonderheit bei
den europäischen Victorys ist, dass sämtliche Modelle mit dem gleichen
Motor ausgestattet sind. Es ist ein luftgekühlter V2, er hat 1731
Kubikzentimeter, und die vier Ventile pro Zylinder werden von einer
obenliegenden Nockenwelle über Kipphebel betätigt. Die Auslegung ist
langhubig (Bohrung/Hub 101/108mm) und kurz hinter 5000 ist Schluß mit
Drehen. Eine solide Mischung aus einfacher Technik und allem was notwendig ist,
damit ein gutes Ergebnis zu erzielen. Der Motor hört auf den
vielversprechenden Namen Freedom V-Twin und er hat mir tatsächlich Freude
gemacht. Dazu später mehr.
Und nun ist es soweit. Wir sind wir an
einem angenehm warmen Spätsommertag in Sande angekommen. Der größte
Besucheranstrom war schon vorbei. Die Vorführer standen aufgereiht vor dem
Laden, blitzten in der Sonne und es sah ein bißchen aus wie auf einer
Custom-Show. Der Stil orientierte sich stark an dem, der in dieser Szene
angesagt ist. Eine Mischung aus Chopper und Dragster, lang und flach, viel
poliertes Metall, aufwendige Lackierungen, fette Hinterradreifen, breite Lenker
und eine tiefe Sitzposition. Passend dazu gab es Modellbezeichnungen wie Vegas,
Kingpin, Eightball, Hammer, sowie einige Kombinationen daraus. Insgesamt machte
das Ganze einen handwerklich sauberen und hochwertigen Eindruck. (Kollege Riedel
hat sich in der November-MO ausführlich damit beschäftigt.) Dann stand
ich vor der Vision, dem etwas anderen Motorrad. Einem Monstrum, das sich nach
den ganzen Flacheisen unvermittelt vor dir auftürmt. Fast noch mehr erschlägt
dich aber dieses durchgeknallte Design. Faszinierend, abartig, barock und ein bißchen
Elisabeth Taylor. Wer möchte, darf auch eine gewisse Ironie in den voluptösen
Formen entdecken. Eine Ironie, die sich allerdings nicht jedem erschließt,
wie ich den strengen Kommentaren zweier Nachwuchsrennfahrer Ende dreißig
entnehmen durfte.
Abgesehen
von den furchteinflößenden Dimensionen macht ein derart
extrovertiertes Motorrad es dir auch sonst nicht leicht. Wo immer du damit
auftauchst, hast du eigentlich nur zwei Chancen. Du wirst entweder zur Witzfigur
- oder zur coolsten Sau von allen. Ein gutgemeinter Rat an alle Männer und
Frauen mit ehrenvoll ergrautem Zopf: Ich weiß, dass ihr im Herzen Rebellen
geblieben seid. Aber eine Fransenjacke auf einer Victory Vision sollte nur
jemand tragen, der ernsthaft vorhat, alle gesellschaftlichen Brücken hinter
sich abzubrechen. Oder Bruce Willis.
An Bord fehlte selbstverständlich
nichts, was das Herz begehrt. Stereoanlage, Tempomat, Sitzheizung, elektrisch höhenverstellbare
Scheibe und so weiter. Vor vielen Jahren hatte ich in jugendlicher Endgültigkeit
zu einem Freund gesagt: "Falls ich mich jemals freiwillig auf solch einen
Schweineeimer setzen sollte, erschieß mich. Bitte."
Das fällt
dir wieder ein, wenn plötzlich Jürgen neben dir auftaucht, mit dem Zündschlüssel
wedelt und fragt: "Na, wie isses?"
Nun ist es ja ein Vorrecht der Jugend, unbedachtes Zeug zu reden, selbst
Konrad Adenauer kümmerte sich wenig um sein Geschwätz von gestern,
Joschka Fischer hat sich früher mit den Bullen gekloppt und lässt sich
heute von Polizisten beschützen, ich fand Mädchen immer doof und hab
mir fest vorgenommen, wenn ich mal groß bin, mein erstes Gehalt komplett
in Schokolade zu investieren, die Päpste sind auch noch nicht lange
unfehlbar undEgal, ich war fern der Heimat, keiner guckte und irgendwie - du
hast es schon geahnt - hatte sie mich angemacht, die Vision. Jetzt nicht mehr
lange überlegen, Helm auf und den Schlüssel umgedreht. Der Motor
sprang unspektakulär an, klang aber leider auch so. Ein bißchen mehr
Soundengineering hätte ich mir schon gewünscht. Der Zubehörmarkt
wirds wie immer richten.
Als wir vom Hof tuckerten, spürte ich jedes ihrer 380 Kilogramm.
Aber schon kurz über Schrittgeschwindigkeit begann Luxuscruising vom
Feinsten. Der Sitz war fast schon unanständig bequem, die Landstraße
rollte sanft vor der riesigen Panoramascheibe ab, und der Dampfer fuhr ohne die
geringsten Zicken dorthin, wo ich ihn haben wollte. Ab 60 konnte der fünfte
Gang rein, der Vauzwei lief entspannt und entwickelte einen satten Schub.
Dann
tauchte dieser Kreisverkehr auf. Ein ziemlich enges Ding mit einem Radius von
vielleicht 15 Metern. Rein in die Hinterradbremse. Die Vision hat ein
Integralbremssystem, bei dem der Fußhebel auch die Vorderradbremse betätigt
und es verzögerte schon besser, als ich es erwartet hatte. Wenn es mal
pressieren sollte, nimmst du den Handbremshebel dazu und die Fuhre steht. Daß
die Bremse nicht schon bei geringen Handkräften so heftig zubeißt wie
die eines Supersportlers muß so sein. Das sind nämlich Bremsen für
japanische Schulmädchen. Die Vision erwartet zu Recht etwas mehr von dir.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Du brauchst keine Schlosserpranken für
eine Vollbremsung, aber ein bißchen ziehen mußt du schon.
Konzeptbedingt gibt es dabei allerdings nur eine stark gedämpfte Rückmeldung
der Reifen. Da ist es schön zu wissen, dass sie für alle Fälle
ein ABS hat.
Im Kreisverkehr die nächste Überraschung. Die
Vision ging behäbig, aber willig in Schräglage und die Trittbretter
setzten nicht auf Kein anständiger Motorradfahrer, der auch nur ein bißchen
auf sich hält, darf mit einem solchen Motorrad um eine Kurve fahren, ohne
irgendetwas aufzusetzen. Also noch tiefer runter. Immer noch nichts. Sie ließ
mich geduldig gewähren, und in der dritten Runde kratzte es dann endlich
einmal kurz. Liebe Victory-Leute, so geht das nicht. Auch ein lebensbejahender
Norddeutscher hat ein Recht darauf, einem Cruiser in Kurven Teile
abzuschmirgeln. Ich nahm mir schonmal vor, Jürgen zu fragen, ob die
Trittbretter eventuell tiefenverstellbar wären. Die Karre hatte ja schließlich
sonst auch alles.
Auf der anschließenden Geraden hab ich den
Dritten dringelassen und das Gas bis zum Anschlag gedreht. Nach exakt geschätzten
3,7 Sekunden bratzte sie erhobenen Hauptes in den Begrenzer. Das gibt eine Menge
Punkte in der nach oben offenen Beschleunigungsskala. Mit eingerechnetem
Cruiserfaktor sogar noch ein paar mehr. Die Werksangaben (89 PS und 140 Nm)
schienen auf jeden Fall zu stimmen. Übrigens bin ich erst, nachdem ich
mehrere gemächlich fahrende Autos überholt hatte, dahinter gekommen,
dass der Tacho auf Meilen gestellt war. (Jürgen hatte mir beim Losfahren
noch irgendetwas hinterhergerufen) Dafür wissen wir beiden jetzt aber, dass
sie auch bei 180 Stundenkilometern noch einen prima Windschutz bietet und sauber
geradeaus läuft.
Den
Rest der Fahrt haben wir uns dann gehen lassen. Es war wenig Verkehr auf der
Straße und sie hat mir eine schöne neue Welt unterhalb der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit gezeigt. Dort ist es ungefähr so, als hättest
du endlich Feierabend, hast dich zuhause in den Sessel gesetzt, die Füße
liegen auf dem Tisch und du machst dein erstes Bier auf. Die Frau ist die ganze
Woche mit den Kindern bei Schwiegereltern. Der große Philosoph und Visionär
Karl Marx (1818-1883) wusste es: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Ich würde
sagen: Wo er recht hat, hat er recht. Die Vision macht etwas mit dir, dem du
dich nur schwer entziehen kannst. Und weil die MO ja nun eigentlich ein Männermagazin
ist, häng ich mich mal ganz weit aus dem Fenster: Wenn du keine Folge von
Germanys Next Topmodel versäumt hast, wird es bei dir wahrscheinlich nicht
funktionieren. Wenn du aber auch schonmal gepflegten vierzigjährigen Frauen
hinterherschaust, bist du mit 22.000 Euro dabei. Damit ist sie im Vergleich zu ähnlich
ausgestatteten Mitbewerberinnen durchaus preiswert.
Später am
Abend saßen wir in netter Runde draußen, es war immer noch spätsommerlich
warm und wie es sich für einen kleinen, feinen Laden gehört, gab es
Bier aus richtigen Glasflaschen. Eine günstige Gelegenheit, Jürgen zu
bequatschen, die Vision für eine Leistungsmessung vorbeizubringen. Eine
offene Tür einzurennen, wäre schwerer gewesen. Montagmorgen stand er
vor dem Hallentor und es ging auf den Prüfstand. Die Messung bestätigte
den subjektiven Eindruck. Der Freedom V-Twin hat sich wacker geschlagen und
sogar die Werksangaben übertroffen.
(Alle Messungen Kupplungsleistung nach DIN auf Amerschläger
p4)
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95 PS an der Kupplung
sind für einen solchen Motor eine Ansage. |
| Und
die Drehmomentkurve:
Bis
zu 154 Nm, das Maximum bei 2800 Umdrehungen und ein glatter Kurvenverlauf. Keine
einfache Übung, das mit einem luftgekühlten Vauzwei unter der Knute
von Euro 3 hinzukriegen. Im Klassenvergleich liegt dieses Motorrad schon bei
seinem Debut ziemlich weit vorne. Wenn ich falschherum unter einer Baseballmütze
stehen würde und zu große Hosen anhätte, müßte ich
jetzt wohl so etwas wie "Respekt" murmeln. Stattdessen frage ich mich,
was da mit etwas Feintuning noch alles rauszuholen wäre. Euro 3,
OHC-Steuerung und 45er Drosselklappen sind gute Voraussetzungen. Außerdem
weiß ich ja, dass Jürgen mindestens so bekloppt ist wie ich
Und
nun mein objektives Fazit:
Die Ehe würde ich ihr noch nicht versprechen. Aber wenn ich eine
große Garage hätte und drei Motorräder reinstellen dürfte,
wäre die Victory Vision dabei. Und zwar ganz in Weiß. An schönen
Sonntagen würde ich sie rausholen, hinter Familienkutschen herblubbern und
Firebladefahrer grüßen. Dazu Tom Waits "Jockey Full Of Bourbon"
aus der Anlage. Die Sitzheizung könnte ich eigentlich auch mal
ausprobieren.
Es gibt wahrscheinlich mehr doofe Vorurteile als schlechte Motorräder.
Angst und Schrecken in Oschersleben.
Wenn du mal wieder so richtig Spaß haben willst, hätte
ich einen Vorschlag: Drei Mann, drei Visions und das Ganze im Formationsflug über
den Track. Falls ein anderer Teilnehmer eine vermeintliche Lücke sehen
sollte, wird er sich bestenfalls in einem Fransenärmel verheddern und im
Scheitelpunkt der nächsten Kurve tangential entsorgt. Weniger Glückliche
zerschellen am Heck der schlingernden Dampfer. In der letzten Runde wird der
Rest der immer verzweifelter hinterherfahrenden Meute mit preiswerter
Countrymusik aus dem bordeigenen Soundsystem endgültig traumatisiert.
Dann kommt die Mutti wieder hintendrauf und es geht zum nächsten
McDonald. Die Kollegen im Fahrerlager möchten jetzt lieber unter sich
bleiben. Sollen sie doch. Niemand mag schlechte Verlierer.
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