Prüfstand, Fahrbarkeit und mehr ...

Der Prüfstand


Über den Erfolg der Tuningmaßnahmen wird nur ein Prüfstand einigermaßen objektiv Auskunft geben können. Subjektiv kannst du dich, auch mit Routine, gewaltig verhauen. Wenn jetzt jemand der Meinung ist, daß nur Rundenzeiten unter gleichen Bedingungen eine wirkliche Aussagekraft hätten ( "Wichtig ist auffem Track"), kann ich ihm kaum widersprechen. Aber so wenig aussagekräftig sind die Prüfstands-ergebnisse nun auch wieder nicht, und ich habe schon immer besser geschraubt als gleichmäßig auf der allerletzten Rille zu fahren.

Der übliche Prüfstand mißt die Leistung am Hinterrad. Am Ende der Messung, bei der der Motor eine schwere Rolle beschleunigt, wird die Kupplung gezogen und der Gashahn zugemacht. Der Prüfstand mißt beim Ausrollen den Verlust, der auf dem Weg vom Hinterrad zur Kupplung entsteht. Dieser Wert wird dann vom Computer zur Hinterradleistung addiert, um die Motorleistung an der Kupplung zu errechnen.
Wirklich wichtig ist eigentlich der Wert am Hinterrad, aber der andere ist halt höher. Zur Verteidigung der umgerechneten Kupplungsleistung ließe sich aber auch vorbringen, daß ein schlapp aufgepumpter Reifen oder ein verschlissener Kettensatz die Ergebnisse nicht so stark verfälschen können. Ich höre immer mal wieder: " Mein Motorrad hat soundsoviel PS am Hinterrad". Laß dich davon nicht ins Bockshorn jagen. In 90% der Fälle stellt sich beim Nachfragen raus, daß der stolze Besitzer zwar gesehen hat, wie die Messung gemacht wurde, aber die Funktionsweise des Prüfstands nicht kannte.

Um Leistungsunterschiede auszugleichen, die durch Luftfeuchtigkeits-, Luftdruck- und Außentemperatur-schwankungen entstehen, werden diese Werte vor der Messung in den Rechner eingegeben und dieser errechnet einen Korrekturfaktor. Dieser Faktor kann aber keine Unterschiede ausgleichen, die bei Vergasermotoren durch erheblich unterschiedliche äußere Bedingungen zu einer nicht mehr passenden Gemischzusammensetzung führen. Wenn du im Winter bei -2°C auf dem Prüfstand warst und den Motor optimal bedüst hast, wird er im Sommer bei niedrigem Luftdruck und +30°C viel zu fett laufen.

Mach möglichst nur einen Schritt zur Zeit. Wenn du vor einer Messung die Steuerzeiten, die Trichterlänge und die Hauptdüse verändert hast, wirst du hinterher nicht sagen können, welche Maßnahme wofür ver-antwortlich ist. Und ob nicht ein falscher Schritt den langgesuchten richtigen zunichte gemacht hat.

Auch wenn manchmal etwas anderes behauptet wird, ist der Prüfstandslauf für den Motor keine extreme Belastung. Meine selige luftgekühlte XS 400 mußte richtig herhalten und hat mindestens 150 Läufe klaglos überstanden. Nur der Hinterradreifen leidet. Du solltest dann, wenn du mehrere Läufe fahren willst, einen alten Reifen aufziehen.

Für den Rechner ist es kein Problem, auch die Drehmomentkurve zu errechnen und auszudrucken. Diese Kurve ist oft noch aussagekräftiger als die Leistungskurve, weil du sehr gut erkennen kannst, wo die Resonanzen die Füllung unterstützen.

Die meiste Zeit auf dem Prüfstand benötigt man dafür, das Motorrad draufzustellen, alles einzurichten und den Computer zu programmieren. Vom Beginn der eigentlichen Messung bis zum Ausdruck der Kurve vergehen dann nur noch ca. zwei Minuten. Auch jeder weitere Lauf geht ruckzuck. Pack dir also alle Teile, die du probieren willst, und ein bisschen Werkzeug ein. Mach dir einen Plan, kalkuliere die Zeit und handel einen Stundenpreis mit dem Prüfstandsbetreiber aus.

Wenn dein Motor die erwartete Leistung trotz aller Abstimmung nicht erreicht, kannst du auf dem Prüfstand einfach mal die Kerzenstecker der Reihe nach abziehen und die Leistung der verbliebenen Zylinder messen. Wenn der Motor auf das Abziehern eines bestimmten Steckers sichtbar weniger reagiert, hast du den Fehler schon fast gefunden.
Und wenn du einen Einzylinder fährst, hast du jetzt etwas über Mehrzylinder gelernt. Wer weiß, wofür das noch mal gut ist.

Geh mit dem Motorrad vor und nach dem Tuning auf den Prüfstand. Wenn du alles richtig gemacht hast, läßt du dir die alte und die neue Leistungskurve auf einem Diagramm ausdrucken. Vergiß die Kopien für die Jungs von der Männergruppe nicht.

Fahrbarkeit


Eine hohe Spitzenleistung auf dem Prüfstand ist die eine Sache. Dadurch hast du aber nur eine Aussage über die Vollastkurve. Sie zeigt dir, welche Leistung du maximal bei welcher Drehzahl abrufen kannst. Das ist schonmal wichtig. Wie sich der Motor bei Teillast und vor allem beim Übergang von Teillast auf Vollast verhält, kann genauso wichtig sein.

Mit einer verzögerten, ruppigen Gasannahme wirst du, wie auch mit einem schmal geratenen Drehzahlband, Probleme mit dem Knaben neben dir haben. Der zieht schon am Scheitelpunkt der Kurve ganz entspannt den Hahn auf und ist ruckzuck 20 Meter ausgebüxt, während du dich noch mit zusammengekniffenen Arschbacken darauf konzentrierst, die Gänge zu sortieren und dich vorsichtig an die richtige Gasgriffstellung heranzutasten, damit es dir jetzt nicht das Hinterrad weghaut. Es kommt noch schlimmer: Dein Gegner ist dadurch am Kurvenausgang mit 10Km/h mehr unterwegs und nimmt diesen Geschwindigkeitsvorsprung auf der ganzen Geraden mit. Dein Motor muß schon richtig gut in Form und die Gerade sehr lang sein, um vor der nächsten Kurve wenigstens wieder an sein Hinterrad zu kommen. Wenn du ein Held auf der Bremse bist, kommst du vielleicht sogar wieder neben ihn. Spätestens die übernächste Gerade ist aber kürzer und das war's schon wieder.
Gib dir also auch mit dieser Abstimmung Mühe. Nur Prüfstandskönig zu sein, reicht im wirklichen Leben nicht aus.
Weiche Übergänge wirst du mit einer fetten Abstimmung im Teillastbereich erreichen.

Übersetzung


hat nicht direkt mit der Motorleistung zu tun, hilft dir aber, die Leistung auf der Straße oder der Rennstrecke wirklich umzusetzen.

Serienübersetzungen sind oft zu lang, weil das Vorteile bei der Geräuschmessung bringt. Es ist nie verkehrt, den Motor so zu übersetzen, daß er im letzten Gang am Ende der langen Geraden ausdreht. Hier kannst du für den Rennbetrieb etwas Luft lassen, um eine Reserve zu haben, wenn du dich im Windschatten an einen Gegner saugst.
Auch an einem Motor, der durch Tuning zwar Mehrleistung, aber eine höhere Leistungsdrehzahl hat, kann eine kürzere Übersetzung nötig sein.
Die Übersetzung kürzt du am besten mit einem größeren Kettenrad. Ein kleineres Ritzel würde die Kette unnötig stark umlenken.
In Motoren, die über das gesamte Drehzahlband leistungsgesteigert sind, kannst du eine längere Übersetzung fahren. Oder du läßt die Serienübersetzung drin und erfreust dich am Leistungsüberschuß, auch wenn du bei Topspeed den Hahn wieder zumachen mußt, weil der Motor überdreht.

Einfahren


Wenn du einen Motor neu aufgebaut hast, solltest du ihn sorgfältig einfahren. Das heißt aber nicht, daß du ihn auf den ersten 1000 Kilometern überhaupt nicht drehen darfst und dann ab 1001 wie ein Gestörter über die Bahn prügeln kannst.
Du solltest nur ganz am Anfang des Einfahrens hohe Drehzahlen vermeiden. Was der neue Motor wirklich schlecht vertragen kann, ist längerer Vollastbetrieb, egal bei welcher Drehzahl. Weil die Kolbenringe sich erst einlaufen müssen und noch keinen vollständigen Kontakt zur Zylinderlaufbahn haben, können die Kolben überhitzen und klemmen. Andererseits sollen sie sich so einlaufen, daß sie später bei Vollast gut anliegen. Deswegen solltest du den Vollastanteil während des Einfahrens stetig erhöhen.
Ein hochwertiges Motoröl ist beim Einfahren nicht nur überflüssig, sondern verlängert diesen elenden Prozess auch noch.

Und jetzt mal unter uns Pastorentöchtern: Ich hab mich nie viel darum geschert, auch meinen Motoren mit neuen Kolben ziemlich schnell auf den Kopf gegeben und es ist nie etwas passiert. Trotzdem wird ein vernünftiges Einfahren den wenigsten Motoren schaden.

Dokumentation


Schreib dir alles auf, was du gemacht hast.
Bewahr die Zeichnungen und Berechnungen auf. Schreib alles so auf, daß du es auch in drei Jahren noch entziffern und verstehen kannst.
Wenn du auf dem Prüfstand bist, notier dir alle Einstellwerte. Also Zündzeitpunkt, Steuerzeiten, Bedüsung, Trichterlänge, Auspuffanlage usw. - besser zuviel als zuwenig. Wenn du das nicht machst, wird es bald so sein, daß du nicht mehr weißt, welche Kurve zu welchen Einstellungen gehört. Dann kannst du nochmal fast von vorne anfangen und wirst dich ärgern, daß du nicht auf den Penner gehört hast.