Uls Kolumne

The Dark Side of the Tresen

Inspektion Honda CX 500 C

Es trug sich eines Tages zu, daß ich als Mechaniker in einer Honda-Vertretung arbeitete und eine blitzeblanke CX 500 C zur großen Inspektion bekam.

Nun wurde die CX auch damals schon lange nicht mehr gebaut und entsprechend selten erschien noch ein Exemplar in einer Vertragswerkstatt. Meistens handelte es dann um verschleppte Notfälle, an denen sich vorher die geballte Kompetenz des Besitzers und der versammelten Nachbar- und Verwandtschaft versucht hatte. In der Regel mit dem Ergebnis, daß die Fehlersuche extrem schwierig wurde, weil der Bock jetzt zusätzlich zum Ursprungsproblem Fehler aufwies, die jegliche Vorstellungskraft aufs Äußerste strapazierten.

Der Besitzer dieser CX hatte sie aber ganz offensichtlich liebevoll gepflegt, sie lief ordentlich und jetzt wollte er ihr wohl mal etwas Gutes gönnen. Also machte ich mich an die Arbeit und gab mir besonders viel Mühe, weil ich eine solche Hingabe an Alteisen durchaus zu schätzen weiß. Ich zog das volle Programm durch, stellte das Ventilspiel solange ein, bis sich die Fühlerlehre perfekt saugend unter dem Kipphebel durchziehen ließ, machte nach dem Synchronisieren der Vergaser nochmal eine Gegenmessung mit vertauschten Uhren und ließ keine einzige Schraube unberührt, die auch nur im Entferntesten für die Sicherheit relevant sein könnte. Vielleicht war ich etwas übermotiviert. Auf der anschließenden Probefahrt lief sie jedenfalls wie ein Uhrwerk. Ich stellte sie wieder nach vorne und brachte den Inspektionszettel ins Büro.

Ein paar Stunden später kam mein Chef in die Werkstatt und fragte mich, was ich mit der CX von heute Vormittag angestellt hätte. Der Kunde hatte sie inzwischen abgeholt und war ungefähr zehn Kilometer weit gekommen, bevor der Motor den Geist aufgab. Daraufhin hatte er äußerst erbost angerufen. Erst nach einer längeren Tirade über schlampige, überteuerte Vertragshändler hatte er das Problem geschildert und auf sofortiger Satisfaktion bestanden. Also wurde unverzüglich der Knecht mit dem Transporter losgeschickt, die CX samt Besitzer einzusammeln und ich hatte Zeit, mir Gedanken zu machen. Alle Missetaten meiner Schrauberkarriere und sämtliche denkbaren Möglichkeiten liefen vor meinem geistigen Auge ab. Bald war ich mir sicher, daß ich den Ölfilter verkehrt herum eingebaut hatte - oder waren es doch die falschen Kerzen? Und irgendwann fiel es mir wieder ein: Ich hatte die Kontermuttern der Ventileinstellschrauben nicht richtig festgezogen.

Wenig später rollte der Transporter auf den Hof. Während man im Verkaufsraum mit nur mäßigem Erfolg versuchte, den Kunden mit verständnisvollen Worten und frischer Erdbeertorte (die eigentlich dem TÜV-Prüfer vorbehalten war) zu beruhigen, kam die waidwunde Güllepumpe auf die Bühne. Neben mir der Chef. Ich tippte vorsichtig auf den Anlasserknopf. Noch war nichts Verdächtiges zu hören. Ich wurde etwas mutiger und ließ den Motor länger durchdrehen. Immer noch nichts zu hören, aber er sprang auch nicht an. Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich hatte den Eindruck, daß die Kompression sehr niedrig war. Eine Einstellschraube hatte sich gelöst, das Ventilspiel war zu groß geworden, der Kipphebel hatte solange wild auf dem Ventil rumgehämmert, bis der Ventilteller abgerissen war und nicht nur den Brennraum zerdengelt , sondern gleich auch noch dem Kolben den Rest gegeben hatte.

Und während ich dieses Gemetzel vor Augen hatte, fiel mein Blick auf den Benzinhahn. Der stand auf ON. Langsam ging meine rechte Hand nach vorne und schaltete auf Reserve. Ein plötzliches, großartiges Gefühl der Hoffnung gab mir die Kraft, 20 lange Sekunden zu warten, bevor ich wieder auf den Knopf drückte. Mit dem ersten Kompressionstakt sprang der Motor an und lief sofort so wunderbar rund, daß mir ganz warm ums Herz wurde.

Ich weiß es leider nicht mehr genau, aber ich hoffe, daß sie dem Typen die Erdbeertorte weggenommen haben.


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