Motor Tuning Kawasaki W650 - Motor, Nockenwelle

Die Wartezeit bis zum Eintreffen der Anlage habe ich mir damit verkürzt, Vergaserdaten und Ansaugtrakt etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Beim Vergleich mit den Daten der katlosen We fanden sich keine Unterschiede. Hier konnte also nicht die Ursache für die Leistungsdifferenz zu liegen. Beim Zerlegen der aufwendig gebauten Airbox wurde schnell deutlich, daß nicht nur die Einlassöffnung recht klein dimensioniert war, sondern daß der Gasstrom auch durch mehrere Umlenkungen behindert wurde. Ich habe mir den Spaß gemacht und bin da schonmal ein bißchen beigegangen. Nachdem ich den Querschnitt etwas vergrößert und die Bedüsung grob angepasst hatte, ging es wieder auf den Prüfstand. Schon beim ersten Versuch wurden der untere und mittlere Bereich besser. Mit optimierten Einlässen und einem genau eingestellten Gemisch wäre sicherlich noch einiges zu holen gewesen. Es hätte aber nicht viel Sinn gehabt, hier noch weiterzumachen, weil die geplanten Änderungen wahrscheinlich wieder eine neue Abstimmung verlangen würden.

Also haben wir die We ein paar Tage stehen lassen. In der Zwischenzeit brachte Monika ihr katloses 99er Modell für eine Vergleichsmessung vorbei. Tatsächlich erreichten wir diesmal 52 PS, aber der Kurvenverlauf wich deutlich ab.

Der Vergleich:
Kawasaki W650
Blau: Ohne Kat / Rot: Mit Kat Die Mehrleistung wurde nur im oberen Drehzahlbereich erreicht. Darunter lag die Kat-Version vorne.


Der modernere Motor passte also eher zum klassischen Auftritt. Oder doch nicht? In den 60er und frühen 70er Jahren war eine 650er ein Superbike. Damit konntest du so ziemlich alles plattmachen, was auf den Straßen kreuchte und fleuchte. Auf diesen Motorrädern saßen zornige junge Männer in Lederjacken und wenig korrekter Fuß- und Beinkleidung, die ordentlich am Griff gedreht haben. Und keiner von denen dachte im Traum daran, sich die schicke Frisur von einem Helm ruinieren lassen. Aber das ist ja alles auch schon sehr lange her...

Da stand ich nun mit meinem angenähten Hals. Inzwischen war das Paket mit der Auspuffanlage gekommen und ich hatte die Qual der Wahl. Drehmoment oder Spitzenleistung? Eigentlich keine Frage, denn niemand kauft sich heutzutage dieses Motorrad, um Rundenrekorde zu brechen oder mit Höchstdrehzahl über die Bahn zu jagen. Trotzdem hatte ich die katlose Anlage noch nicht abgeschrieben. So dramatisch war der Drehmomentverlust aber nun auch wieder nicht und es war durchaus möglich, daß sie besser als ihre Mitbewerberin auf das Tuning reagieren würde. Ich entschied mich dafür, erstmal den Motor zu zerlegen. Da sollten ja auf jeden Fall noch die großen Kolben rein und während die Zylinder zum Bohren waren, blieb genug Zeit, den Kopf zu überarbeiten und mir was Schönes für die Nockenwelle zu überlegen.

Die Messung der Steuerzeiten förderte Erstaunliches zu Tage. Die Gesamtöffnung bei 1mm Ventilhub betrug nur 207 Grad. Das Ganze symmetrisch mit einer Spreizung von 213 Grad. Wer macht denn sowas? Allgemein kann man zwar sagen, daß eine Verlängerung der Öffnungszeiten von 20 Grad schon recht heftig ist und die Leistung auf hohe Drehzahlen verschiebt, aber ich kenne genug Motoren, die als drehmomentstark gelten und deren Nocken 250 Grad öffnen. Selbst die selige SR 500, die wesentlich weniger hoch dreht und eine ähnliche Leistungscharakteristik hat, öffnet 230 Grad. Auch davon waren wir mit der We noch meilenweit entfernt. Bevor wir uns jetzt falsch verstehen: Ein zahmes Nockenprofil fördert die Leistung im unteren Drehzahlbereich - aber man kann es auch übertreiben. In unserem Fall lassen sich locker nochmal 20 Grad draufpacken. Eine Leistungseinbuße dadurch würde es nur bei niedrigen Drehzahlen geben, dafür könnte der Motor aber schon in der unteren Mitte stärker werden und das Drehmoment die 60Nm erreichen. Nun wird kein Mensch, und ich schon garnicht, ernsthaft bestreiten wollen, daß die Kawasaki-Ingenieure wissen, wie man einen kräftigen Motor baut und daß die Jungs sicherlich auch gerne zeigen möchten, was sie können. So richtig konnte ich mir diese Werte also nicht erklären - es sei denn, man hätte tatsächlich dem untersten Drehzahlbereich Bereich die höchste Priorität eingeräumt.

Auch die Kanäle, vor allem die Einlaßkanäle, waren eindeutig ausbaufähig. Das machte schon auf den ersten Blick alles einen sehr grobschlächtigen, etwas lieblosen Eindruck. Schlimme Kanten und ein unförmiger Trennsteg. Mit einem Fächerschleifer und etwas Arbeit würde sich der obere Drehzahlbereich verbessern lassen. Als Tuner ist man über so etwas ja nicht wirklich böse. Meistens ist die Leistungssuche schwierig und mit viel Probieren und Arbeit verbunden. Aber wenn du in einen solchen Zylinderkopf schaust, weißt du sofort, daß du ein paar sichere PS im Sack hast.

Besser gefielen mir die Kolben aus dem Aufbohrkit. Der Hubraum stieg durch die auf 75,5mm vergrößerte Bohrung um 59 auf 734 Kubikzentimeter. Das sind knapp 9%. Ihr Gewicht glich fast aufs Gramm genau dem der Originalkolben und sie hatten ausgeprägte Ventiltaschen, so daß auch eine richtig scharfe Nocke die Ventile nicht aufsetzen würde. Aber die Kompressionshöhe war einen Millimeter geringer als beim Serienteil. Da baut man für eine Menge Geld große Kolben ein und der Drehmomentgewinn wird schätzungsweise zur Hälfte von der gesunkenen Verdichtung wieder aufgefressen. Dagegen ließ sich aber etwas tun. Nachdem wir den Zylinder um einen Millimeter gekürzt hatten, klauten uns die tiefen Ventiltaschen zwar immer noch ein bißchen Verdichtung, aber das wurde durch den gewachsenen Hubraum gut kompensiert. Insgesamt sind wir mit einer Verdichtung von 9 zu 1 leicht über dem Serienniveau geblieben. Mit ein bißchen mehr wäre die Leistung weiter gestiegen, aber der Motor hätte einen höheren Oktanbedarf gehabt und wäre härter gelaufen.

Kawasaki W650
Rechts der Tuning-Kolben.
Für die Nockenwelle haben wir mit Herrn Körner ein Profil gefunden, das moderate 225 Grad öffnete und einen 0,4 mm größeren Hub hatte. Zusätzlich haben wir, um die Mitte zu stärken, die Spreizung auf 208 Grad reduziert.
Kawasaki W650
Frisch vom Umschleifen zurück. Die Nockenwelle.
Als die Teile vom Motoreninstandsetzer zurückkamen, habe ich mich an die Kopfbearbeitung gemacht. Aber je mehr ich mich da reingekniet habe, umso fassungsloser wurde ich. Der Kopf saß eindeutig auf einem zu kleinen Zylinder.

Die Ränder der Kanäle ragten seitlich fast 3mm über die Bohrung hinaus. Während die Kopfdichtung bündig auf dem Zylinder lag, stand sie im Brennraum ein ganzes Stück über die Dichtfläche. Dafür fiel mir eigentlich nur eine Erklärung ein: Der Kopf war ursprünglich (bei gleichen Hub) für ca. 750 Kubik ausgelegt. Bisher hatte ich japanische Motorräder immer als perfekt gefertigt und bis ins Detail durchdacht erlebt. Und nun das. Ich habe es zuerst nicht geglaubt und die Teile immer wieder gegeneinander gehalten und nachgemessen. Ich konnte es aber drehen und wenden, wie ich wollte - es passte hinten und vorne nicht. Oder hatten wir nur ein besonders schlechtes Exemplar erwischt, das durch sämtliche Kontrollen geschlüpft war? Dadurch hätten sich auch zumindest teilweise der relativ gute Drehmomentverlauf und die niedrige Spitzenleistung erklären lassen. Endgültige Klarheit wird wohl erst ein zweiter geöffneter Motor bringen.
Kawasaki W650
Die Rußablagerungen an der Oberseite der Kopfdichtung bilden die Überstände ab.
Beim Nachmessen kam ich übrigens auf knapp 750 Kubik, die mit vertretbarem Aufwand drin wären. Beim Durchstöbern von Thomas´ Teileregalen fanden sich auch die passenden Kolben. Mit größeren Laufbuchsen, aber noch ohne Aufspindeln des Motorblocks, wären sogar ca. 900 Kubik möglich.

Weil kein Motorrad vom Rumlamentieren schneller wird, habe ich die Kopfdichtung teilweise ausgeschnitten und die Zylinderlaufbahnen mit einer Fase versehen. In den Kanälen stand genug Fleisch für die Bearbeitung zur Verfügung, so daß ich richtig in die Vollen gehen konnte. Die Übergänge habe ich angepasst, den Trennsteg ein Stück nach hinten versetzt und schmaler geschliffen. Die Ventilsitze wurden etwas weiter außen geschnitten und tiefer gesetzt. Der Bereich vor den Ventilsitzen bekam einen geänderten Radius. Den Durchmesser des Kanals habe ich nur leicht erweitert, um eine hohe Gasgeschwindigkeit zu erhalten. Auch in den Brennräumen gab es einiges zu tun. Das waren vor allem ein genaues Auslitern und das Angleichen der Quetschkanten. Eine Menge Arbeit, aber ich war zuversichtlich, daß es sich lohnen würde.
Kawasaki W650
Der Kopf während der Bearbeitung. Auch hier sind die weiten Ausbuchtungen der Kanäle zu erkennen. Rechts der obere Teil des Königswellenantriebs.
Beim Lesen des bisher Geschriebenen ist mir aufgefallen, daß ich ziemlich viel rumgemeckert habe. Das wollte ich eigentlich nicht, denn ich mag sie ja, die We. Nicht nur deshalb jetzt auch mal was Positives: Abgesehen von der Königswelle, die allein schon vieles rausriß, gab es an der Nockenwelle ein wunderbares Detail, eine aufwändige Sache, die ich nur von Spezialanfertigungen kannte und im Serienbau noch nie gesehen hatte: Die Steuerzeiten ließen sich mit Hilfe einer Verstiftung exakt justieren. Schon bei der Messung des Serienzustands war ich überrascht gewesen, wie genau symmetrisch Ein- und Auslassnocken zueinander standen. Hier hatte man sich richtig Mühe gegeben - und die Kaufleute hatten die Leine wohl etwas länger gelassen.
Kawasaki W650
Der Lochkreis auf der Nockenwelle. Die Bohrungen haben einen ansteigenden Versatz gegen die Zähne des Kegelrads. Das Prinzip kennen wir vom Nonius eines Messschiebers. So läßt sich jeder gewünschte Überschneidungspunkt gradgenau einstellen.
Die Vergaser habe ich serienmäßig belassen. Die CVKs von Keihin sind sauber gearbeitet, haben flache Schieber und eine schmale Drosselklappe. In unserem Fall waren sie sogar noch mit einer Beschleunigerpumpe versehen. Da braucht man nicht mehr viel rumzufeilen. Als einzige Änderung kamen 120er Hauptdüsen rein.
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